Strategien
für die digitale
Zivilgesellschaft

Gamification – aktueller denn je!

Konferenz:  reCampaign 2016

veröffentlicht am 2. August 2016



Autorin: Cornelia Tocha

Eine App macht Furore. Und zeigt uns damit, wie aktuell und ausschlaggebend gutgemachte Spiele und Spielmechanismen für die Empfänglichkeit von Zielgruppen sein können. Die Rede ist von Pokémon Go, zurzeit in aller Munde, und wenn das so weitergeht, als Spiel auf dem Smartphone auch in aller Hände: Bereits nach einer Woche hatte die Augmented-Reality-App mehr täglich aktive Nutzer als Tinder und Twitter, und auch Facebook macht Einbußen, da sich der gamifizierte Teil der Menschheit in seiner knapp bemessenen Zeit nun lieber der Suche möglichst vieler Pokéstops als besagtem sozialen Netzwerk widmet. Selbst im US-Wahlkampf scheint das Pokémon-Go-Fieber ausgebrochen zu sein. Hillary Clinton möchte über das Spiel mehr Wähler/innen erreichen und fragt sich, wie man wohl aus „Pokémon Go“ ein „Pokemon Go to the Polls“ machen könnte.

Vielleicht sollte sich die Präsidentschaftskandidatin einmal vertrauensvoll an unsere ehemalige Referentin Myriel Balzer wenden. Diese hielt auf der reCampaign 2012 einen Workshop zu spielerischer Mobilisierung im Web, in dem sie über das Potential von Spiel und Spielmechanismen für Kampagnen und deren Design sprach.

Für Myriel lag der Vorteil eines Spiels im Gegensatz zur Realität darin, dass es klar formulierte Spielregeln gibt. Wir wissen immer genau, was erlaubt oder verboten ist, welche Ziele zu erreichen sind und wie der Weg zu diesen aussehen könnte. Dadurch kommt jeder Aktivität innerhalb des Games ein tieferer Sinn bei, Willkür oder Zufall gibt es nicht, alles und jeder hat seine strukturelle Bedeutung und Aufgabe. Die Spieler/innen sind dabei Teil einer kooperativen Community, sie bekommen Feedback und können sich dadurch ständig steigern. In dem Zusammenspiel all dieser Faktoren liegt der große Erfolg des Phänomens: Es ist einfach äußerst befriedigend, Spiele zu spielen!

Wie aber lässt sich dieses Potenzial nun konkret für Kampagnen nutzen?

Die Referentin gab uns folgende Tipps an die Hand: Einerseits kann man die Tätigkeit, die man von seiner Zielgruppe durch die Kampagne erwünscht, mit einem narrativen Rahmen versehen und sie damit in eine epische Struktur einbetten. Als Beispiel diente hier die Jogging-App Zombies, Run!, in welcher die Teilnehmenden durch Simulation einer Zombie-Apokalypse zu sportlichen Höchstleistungen angetrieben werden sollen.

Eine weitere Strategie liegt darin, die Nutzerin oder den Nutzer in Form eines Avatars oder einer selbst formbaren Spielfigur eine Art Alter Ego konstruieren zu lassen. Damit kann er oder sie eine eigene Idealform des Selbst schaffen, was wiederum zu Motivation und Zufriedenheit führt.

Apropos Motivation: Generell ist es essenziell, dem oder der Spielenden zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit zu geben, sich stetig zu verbessern – beispielsweise über das Sammeln von Erfahrungspunkten, Highscores oder virtuellen Gütern, durch die man wiederum ein Level aufsteigen kann und so unmittelbar für seine Leistung belohnt wird. Außerdem wichtig ist eine nutzerfreundliche Bedienung, die selbsterklärend und einladend gestaltet ist und immer wieder neue Entdeckungen zulässt. Nur so kann man eine Regelmäßigkeit der Nutzung erzielen und die Teilnehmer/innen bei Stange und Laune halten.

Kein Spiel ohne Strategie

Die Herausforderung bei dieser Form der Kampagnenarbeit liegt darin, einerseits den Spieltrieb der Leute zu kitzeln und andererseits wichtige Inhalte trotz aller Verspieltheit fokussiert und klar zu übermitteln. Eben jene Balance bei der sogenannten Gamification wurde auf der reCampaign 2012 von Benjamin Borgerding in seinem Workshop Vom User zum Jedi: Spielerische Mobilisierung bei der Kampagne „VW Dark Side“ thematisiert. Als Aufhänger nutzte dieser die Kampagne von Greenpeace UK gegen Volkswagen, die über einen Anti-Werbespot im Star-Wars-Style den Automobilhersteller zu mehr Engagement im Klimaschutz aufforderte.

Benjamin machte deutlich, dass Kampagnenzielen stets die oberste Priorität zukommen müsse. Jede spielerische Maßnahme sei nur dann sinnvoll, wenn sie, wie hier bei Greenpeace, in eine Strategie eingebettet das Erreichen der großen Ziele vorantreibe. Unter dieser Voraussetzung ist Gamification, also die Anwendung spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext, nicht nur ein weiteres neues Modewort, sondern ein großes Potenzial für die NGO-Kampagnenarbeit, mit dem wir uns auch auf der diesjährigen reCampaign im Herbst 2016 weiter beschäftigen wollen. In diesem Sinne: Let’s play!