Strategien
für die digitale
Zivilgesellschaft

Videos in der Kampagnenarbeit

Konferenz:  reCampaign 2016

veröffentlicht am 24. August 2016



Autorin: Cornelia Tocha

Wir sind Europameister – zumindest im Video gucken! Das haben wir auf der reCampaign 2012 von Cornelia Reetz von film4change gelernt. Pro Monat sieht sich mehr als die Hälfte aller Deutschen im Schnitt beinahe 200 Onlinevideos an. Die reichweitenstärkste Videoplattform YouTube hat mehr als eine Milliarde Nutzerinnen und Nutzer – was fast einem Drittel aller Internetuser entspricht. Täglich werden auf YouTube Videos mit einer Gesamtdauer von mehreren hundert Millionen Stunden abgespielt und Milliarden Aufrufe generiert. Auch unser Facebook-Newsfeed wird langsam aber sicher von Videos dominiert, genauso wie über Instagram und Snapchat zunehmend Kurzfilme geteilt werden. Und dann gibt es ja auch noch explizite Videoportale wie Vine, wo man 6-Sekunden-lange Clips hochladen und austauschen kann. Kein Wunder also, dass auch immer mehr NGOs dieses Medium nutzen oder nutzen wollen.

Im angelsächsischen Sprachraum setzen Charities seit Jahren bereits auf Video – zum Teil mit beachtlichem Erfolg. Woran liegt das? Und was können wir von GB, USA & Co. lernen? Um all das ging es in Cornelias Vortrag „Video als Kommunikationsmittel – Best practice und Inspirationen“, den man sich nachträglich in unserem Archiv anhören kann.

Warum ist Video überhaupt ein so gutes Kommunikationsmittel für NGOs?

Die Stärke und Schlagkraft des Mediums Film liegt darin, über die Kombination von bewegtem Bild, Text und Musik verschiedenste Emotionen hervorrufen zu können. Ob humorvoll, unterhaltsam, schockierend oder nüchtern-informativ, mit Videos erreicht man die Menschen direkt und binnen weniger Sekunden. Ein Bild sagt eben manchmal mehr als tausend Worte.

Zudem haben Videos einen enorm hohen Wiedererkennungswert: 85 Prozent aller Informationen nehmen wir über unseren Seh- und Hörsinn auf. Auch für das Branding einer jeden Organisation sind Videos essenziell, da sie im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild in den Köpfen der Rezipient/innen kreieren, wie etwa die tatkräftigen Action-Videos von Greenpeace verdeutlichen.

Video? Ja, aber bitte nicht nur.

Bei aller Video-Euphorie sollten wir jedoch unseren kritischen Blick auf diese Medienentwicklung nicht verlieren. Die aktuelle Form des Internets und des Online-Journalismus, in dem Texte in den Hintergrund treten und stattdessen Bilder immer wichtiger werden, hat auch einen Einfluss auf die Debattenkultur im Netz und die Möglichkeiten einer digitalen Meinungsbildung. Ein gesellschaftspolitischer Diskurs, der allzu vereinfacht und emotional umso aufgeladener daherkommt, birgt, nicht zuletzt mit Blick auf aktuelle Entwicklungen rund um Hass und Hetze im Netz, Gefahren für unser Zusammenleben. Hossein Derakhshan geht noch einen Schritt weiter und befürchtet, dass wir durch diesen Trend zu Analphabeten des 21. Jahrhunderts werden, die nur noch über Bild, Video und Emojis kommunizieren können – wie im Mittelalter, als nur Machthaber und Mönche die privilegierte Fähigkeit besaßen, über geschriebenes Wort zu kommunizieren.

Reiner Kulturpessimismus? Eine gesunde Demokratie braucht auf jeden Fall beides, Text und (Bewegt-)bild. Wenn wir uns das auch für die Kampagnenarbeit hinters Ohr schreiben, kann nichts mehr schiefgehen. Oder doch? Ein paar Punkte wären da schon noch zu beachten:

Tipps rund ums Kampagnenvideo

Wenn man als Organisation an einem Video bastelt, rät der australische Kommunikationsexperte Timothy Lam, dabei die „drei S“ zu erfüllen: Short, Simple, Storytelling:

Short:

Videos sollten kurz sein, denn die Zuschauer/innen haben oft wenig Zeit. Insbesondere auch wenn man dafür vielleicht sogar das Smartphone mit mobilem Internet nutzt. Besser: kurze, prägnante Videos, die in einem kleinen Zeitraum die Botschaft übermitteln, die sie übermitteln wollen. Lam rät, NGO-Kampagnenfilme auf jeden Fall unter vier Minuten zu halten, da dies die durchschnittliche Länge eines Musikvideos ist – die meistgesehene Videokategorie auf YouTube. Ein Beispiel dafür, dass in der Kürze die sprichwörtliche Würze liegt, zeigt der WWF mit seinem 41-Sekunden-kurzen „Because we’re all connected“-Plädoyer.

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Simple:

„Simplify your life“ – das kann nicht nur ein gutgemeinter Entrümpelungsratgeber in Bezug auf unseren Alltag sein, sondern gilt auch für die filmische Kampagnenarbeit. Wenn geballte Informationen, exakte Zahlen und Kennziffern auf uns einprasseln, gehen sie oft in der Masse unter und es fällt uns schwer, uns an jedes Detail zu erinnern.

Besser ist es deshalb, wirklich nur das Allerwesentlichste in ein Video zu packen. Mit diesem Simplify-Ansatz umgehen wir den Überdruss am Überfluss und vermitteln nur das, was wirklich etwas bewirken kann. Als Beispiel hierfür dient die berühmte Click-Kampagne von „Make Poverty History“, in der Prominente alle drei Sekunden mit dem Finger schnipsen, um aufzuzeigen, dass alle drei Sekunden ein Kind stirbt. Am Ende des 60-sekündigen Videos besteht kein Zweifel daran, was die Botschaft des Videos ist.

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Storytelling:

Dies ist womöglich das wichtigste der “Drei S”. Videos, die eine Geschichte erzählen, bleiben viel eher im Gedächtnis als solche, die nur oberflächlich-eindimensional das Profil der NGO darlegen. Schilderungen von Projekten und Kampagnen der Organisation erscheinen ansprechender, wenn sie in eine fesselnde Handlungsebene, etwa die von Peter Pan durch World Vision, eingebettet sind.

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Storytelling kann sehr vielfältig erfolgen, der eigenen Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Man kann, wie GetUp! Australia, eine persönliche Erzählweise wählen, oder wie die Welthungerhilfe mit ihrer Kampagne „Mach mehr aus deiner Zeit“ Identifizierungspunkte zum eigenen Leben anbieten. Man kann positive oder negative Emotionen hervorrufen, oder auch Spannung erzeugen, so dass die Zuschauenden wissen möchten, wie es weitergeht und deshalb am Ball bleiben. Auch ein Aufspringen auf einen aktuellen Hype oder ein Hinzuziehen von Prominenten ist immer wieder erfolgversprechend – wie die Kampagne des Bündnisses gemeinnütziger Organisationen „Equals“ zeigte, zu dessen 100-jährigen Jubiläum Bond-Darsteller Daniel Craig in einem Kurzfilm auftrat und damit über zwei Millionen Zuschauer anlockte.

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Spread the word!

Doch jede gute Story braucht auch eine Verbreitungsstrategie, denn das allerschönste Video nutzt nichts, wenn es dann keiner sieht. Der Vorteil von Social Media im Allgemeinen liegt darin, dass das Publikum den Marketing-Part der NGO mit übernehmen kann – wenn es von der Botschaft überzeugt ist. Nutzerinnen und Nutzer können Videos liken und vor allem auch teilen, was die Reichweite enorm erhöht. Deshalb ist es so wichtig, sich Zeit zu nehmen und ein Kampagnenvideo zu kreieren, das so fesselnd und überzeugend ist, dass es Unterstützer/innen inspiriert, nicht nur selbst aktiv zu werden, sondern die Botschaft auch in ihr Netzwerk aus Freunden und Bekannten weiterzuleiten.

Mit diesen Tipps und Tricks an der Hand hat ein Kampagnenvideo großes Erfolgspotenzial. Also ab an die Filmkameras – and Action!